Methode

Was ist ISTDP nach H. Davanloo?

Es handelt sich um eine psychoanalytisch orientierte Behandlungsmethode, die intensiv

  • mit der unbewussten Angst
  • den Gefühlen
  • den Abwehrmechanismen
  • und der Übertragungsbeziehung zum Therapeuten

arbeitet. Übertragungsbeziehung bedeutet, dass Abläufe in der Beziehung zwischen Patient und Therapeut transparent gemacht und wo notwendig hinterfragt werden.

Die ISTDP eignet sich zur Behandlung von Symptom- und Charakterstörungen (Neurosen) sowie - mit Modifikationen - zur Behandlung von sog. frühen Störungen, wie z.B. Borderline Persönlichkeitsstörungen (BPS).

Ziel der Behandlung ist es, Betroffenen zur Auflösung ihrer Symptome sowie zu einer verbesserten Konfliktlösungsstrategie im Alltag zu verhelfen. Die bei diesen Störungen beeinträchtigte Beziehungsfähigkeit kann durch Angstabbau und durch Korrektur projektiv verzerrter Selbst- und Fremdwahrnehmung aufgehoben werden. Maladaptive Selbstsabotagemuster sollen durch zielführende Strategien ersetzt werden, die dem langfristigen Erhalt der psychischen Gesundheit dienen.

Dieses Ziel kann unter anderem durch eine schichtweise innere Aussöhnung mit denjenigen Personen erreicht werden, mit denen die Betroffenen durch unbewusste Wut/unbewussten Hass und den damit verbundenen Schuldgefühlen unabgelöst und verstrickt geblieben sind. Es soll hier betont werden, dass innere Vergebung und Aussöhnung ein hoch emotionaler Prozess darstellt, der mit kognitiven Prozessen alleine nicht zu bewerkstelligen ist.

Weitere Informationen zu H. Davanloo’s Technik der vollständigen Entfernung des Widerstands und der umfassenden Mobilisierung des Unbewussten (Technique of Total Removal of Resistance and Major Mobilisation of the Unconscious) finden Sie im folgenden Abschnitt.

Geschichtlicher Überblick

Habib Davanloo wurde im Iran geboren und liess sich nach dem dortigen Medizinstudium zunächst an der Harvard-University in den USA in Neurochirurgie ausbilden, ehe er zur Psychiatrie wechselte.

Er durchlief eine Lehranalyse bei Helen Deutsch, besuchte Kurse bei Anna Freud in London und praktizierte die klassische Psychoanalyse selbst während vieler Jahre.

In den frühen 60er Jahren wurde er an die McGill University in Montreal berufen, wo er eine Professur für Psychiatrie erhielt.
Im gleichen Zeitraum begann er die Technik der Psychoanalyse zu erforschen. Ausgangspunkt seiner Forschertätigkeit war die Auseinandersetzung mit den Widerstandsphänomenen in der Übertragungsbeziehung zum Therapeuten. Eines der fundamentalen Probleme der klassisch psychoanalytischen Technik liegt in der Überwindung der Über-Ich-Widerstände. Auf zunehmenden Widerstand seitens des Patienten reagiert der Therapeut meist mit zunehmender Passivität. Dies führt zu unendlichen, unproduktiven oder schwierig zu beendenden Analysen. Freud schrieb 1937 in «die endliche und die unendliche Analyse» «in der Abwehr dieses Widerstandes ‹gegen die Heilung› müssen wir uns auf das Bewusstmachen desselben und auf den Versuch zum langsamen Abbau des feindseligen Über-Ichs beschränken».

Davanloo entwickelte in der Folge seiner Forschertätigkeit zur Überwindung der Über-Ich-Widerstände aktivere Interventionen in der Arbeit mit der Abwehr des Patienten, wobei er die verbalen und non-verbalen Reaktionen am Video akribisch auswertete.

Die Zusammenhänge zwischen Interventionsarten, Reaktionen, der Dauer der Therapien und deren Wirksamkeit waren für ihn erstaunlich und führten zunächst zur Entwicklung seines Systems der «Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy». [sog. Standardtechnik]
Nachdem er die Wirksamkeit dieser Therapieform nachgewiesen hatte, begann er in den 70er Jahren seine Methode zu veröffentlichen und der Fachwelt an Kongressen in Nordamerika und Kanada zu präsentieren. 1985 fand der 1. europäische audiovisuelle Kongress in Bad Ragaz statt (Panel: Dr. Davanloo, David Malan und Dr. A. Benz, Zürich). Es folgten regelmässige Kongresse in Europa, vornehmlich in der Schweiz, Deutschland und Italien.

Davanloo beschränkte sich zunächst auf die Arbeit mit vorwiegend zwanghaft strukturierten Patienten, also Patienten mit einer relativ gesunden unbewussten Abwehrstruktur, die eine relativ hohe Fähigkeit besitzen, innere Konfliktspannung aushalten und Inhalte aus dem Unbewussten vom Bewusstsein fernhalten zu können. Nach und nach erweiterte er seine Arbeit auf Patienten mit regressiven Abwehrstrukturen bis hin zu Patienten mit fragilen Abwehrmechanismen, die relativ rasch an Angstüberflutung leiden wie dies bei «frühen Störungen» üblich ist.

Seinen Forschungsergebnissen aus den letzten 15-20 Jahren zufolge ist er zur Ansicht gelangt, dass frühe Störungen auf der generationenübergreifenden Weitergabe von Neurosen (Übertragungsneurosen) beruhen, bei der die Art des Empfindens und des Verhaltens von den wichtigsten Bezugspersonen, meistens der Eltern auf ihre Nachkommen übertragen wird. Der Prozentsatz dieser Art der Neurosen beträgt in seinem Kollektiv etwa 50% im Verhältnis zu den sogenannt ursprünglichen Neurosen, bei denen die wirksame Traumatisierung erst nach dem 4./5. Lebensjahr oder später erfolgt.
Die Arbeit mit und am Unbewussten der Patienten mobilisiert das Unbewusste des Therapeuten ebenso. Unaufgelöste Konflikte im Unbewussten des Therapeuten können dazu führen, dass die Behandlungstechnik nicht korrekt angewandt werden kann. In der Arbeit mit dem Unbewussten von Aerzten ist Davanloo zum Ergebnis gelangt, dass diese Berufsgruppe selbst häufig von Übertragungsneurosen betroffen ist.

Übertragungsneurosen können mit der Standardtechnik, die in der Regel aus einer Probetherapiesitzung von bis zu 3 Stunden und anschliessenden wöchentlichen Sitzungen bestehen, nicht ausreichend behandelt werden, da die Abwehrmechanismen sich nach einem Durchbruch wieder neu formieren und das Unbewusste auf diese Weise nicht ausreichend mobilisiert werden kann.
Um Patienten, die an dieser Form von Neurosen leiden, helfen zu können, hat er bereits in den 90er Jahren eine Technik entwickelt, die er damals Blocktherapie oder Extended Trial Therapy nannte.

Seit 2007/2008 bietet er für Berufsleute einen «Experiental Closed-Circuit Training Workshop» an, an dem sich die Teilnehmer ca 4-5 Mal im Jahr für 5 bis 6 Tage mit ihm als Supervisor und Lehrer zwecks Mobilisierung des Unbewussten treffen.
Üblicherweise wird das Unbewusste der Teilnehmer durch das Anschauen und Analysieren von Videoaufzeichnungen aus der Arbeit mit den Teilnehmern oder mit Patienten aus seiner Berufspraxis während 1-2 Tagen mobilisiert, was die nachfolgende Arbeit am Unbewussten in den folgenden Tagen erleichtert. Kollege A interviewt Kollege B mit anschliessender Besprechung und Analyse des zuvor aufgezeichneten Interviews oder es finden je nach Mobilisierung in der Gruppe mehrere Interviews hintereinander statt, ehe sie anschliessend analysiert werden. In komplexen Situationen kann Dr. Davanloo selbst ins Geschehen eingreifen.
Durch die unmittelbare Besprechung nach den Sitzungen wird eine Restrukturierung erreicht, die der sofortigen erneuten Verdrängung entgegengewirkt.
Diese Technik nennt er «H.Davanloo’s Technique of Total Removal of Resistance and Major Mobilisation of the Unconscious».